Kinder des Drachen: Wachleute 保安

Wachleute gibt es in Peking sehr viele. Das mag daran liegen, dass es viele Chinesen gibt, die widerum genausoviele Jobs brauchen, vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Menschen in der Hauptstadt ein gesteigertes Beduerfnis nach gefuehlter Sicherheit haben. Es ist nicht so, dass man in Peking an jedem normalen Tag zu wenige Uniformen zu sehen bekommen wuerde. Man sieht Fahrkartenverkauefer in Uniformen, Polizisten, Soldaten, Kellner, Kosmetikerinnen, Putzfrauen, und Verkaeufer. Alle haben sie ihre Art von Uniformen an, wie auch die Wachleute. Deren Uniform ist meist in blau- oder gruen gehalten.

Die Wachleute sind meistens schmaechtige, nette Kerle aus der Provinz, die sich in Peking durchschlagen. Es ist zu bezweifeln, dass sie irgendeine kaempferische Ausbildung besitzen, so wie sie meist aussehen. Sie duerfen aber manchmal in der Gruppe marschieren, oder man sieht sie, mit einer Art Gruppenfuehrer andere Uebungen machen. Manchmal duerfen sie sogar Schlagstoecke und rundliche Helme tragen, durch die sie aber nicht wesentlich bedrohlicher aussehen. Seit einer Reihe von quer ueber China verteilten, voneinander unabhaengigen Amoklaeufen, in Kindergaerten und Schulen, tragen sie an solchen Einrichtungen teilweise auch stichsichere Westen.

Die Wachleute finden an vielen Orten ihre Jobs, und meistens sitzen sie an Tueren, und Toren, oder stehen im Eingangsbereich. Wohnblocks, sowie auch beispielsweise Schulen und Universitaeten sind in Peking ummauert. An den Eingangstoren trifft man auf die Wachleute, manchmal auf einen, manchmal auf mehrere gleichzeitig. Die Maenner mit den Uniformen kriegen also immer mit, wer wann von einer Feier heimkommt, und ob die Person noch gerade laeuft. Auch wer zu spaet zur Arbeit kommt, wissen sie natuerlich. Vielleicht fuehren sie sogar Buch, und ihre Aufzeichnungen stossen bei anderen Stellen auf reges Interesse. Sinn des Konzeptes ist es, dass niemand von ausserhalb, der nicht eingeladen ist, in das jeweils zu bewachende Areal, – sei es nun eine Universitaet, ein Firmengelaende, oder ein Wohnblock – hineinkommt. Das Gehalt der Waechter duerfte sie wohl nicht gegen Bestechungsversuche immun machen, und auch ist es nicht unbekannt, dass sich die Herren, vorzugsweise waehrend der Nachtschicht, ein Schlaefchen goennen.

Unterhaelt man sich mit ihnen, stellt man fest, dass die Wachleute meist sehr aufgeschlossene, freundliche Leute sind, die sich ueber einen netten Plausch freuen, wenn gerade nicht viel los ist. In der Regel werden sie von den meisten Leuten, die sie bezahlen, wie zum Beispiel den Bewohnern der Wohnheime und Blocks, ignoriert. Dies kann dazu fuehren, dass einige von ihnen, einen Moment im Rampenlicht geniessen, und dafuer kurze Momente, in denen ihr Job von zentraler Wichtigkeit erscheint, umso mehr herausstellen. So kann es passieren, dass sie einem den Einlass verweigern, falls man einen bestimmten Ausweis, oder eine andere formelle Zugangsberechtigung vergessen hat, obwohl sie einen schon seit Monaten jeden morgen zur Vorlesung, oder jeden Abend nach Hause kommen sehen. Dies ist meistens nicht persoenlich gemeint, und laesst sich im Normalfall auch direkt vor Ort klaeren. Es ist ein Wenig Geduld gefragt. Falls Sie ueber laengere Zeit Regelmaessig an einem bestimmten Wachmann vorbei muessen, gruessen Sie ihn, und investieren Sie ab und zu fuenf Minuten in einen kleinen Schwatz. Es koennte sich fuer Sie rentieren

Veröffentlicht unter Kinder des Drachen | Verschlagwortet mit , , , , , | Kommentar hinterlassen

T.I.C.: Saubere Luft fuer die Feiertage

Es ist ein regnerischer Tag. Solche Tage gibt es in Peking nicht oft.  Der Regen f’aellt in merkwuerdig duennen, sehr zahlreichen Tropfen vom Himmel und waescht die Luft rein von Abgasen, Sand und Dreck. Es ist September und das Mondfest steht vor der Tuer. In der Luft liegt ein ganz vager Geruch, der schwer wahrzunehmen ist, und nicht zu dem alltaeglichen Smog gehoert. Leicht chemisch, schweflig riecht es. Fuer die Feiertage moechte man klare Luft haben. Da wird auch gerne, ganz im Sinne aller Bewohner Pekings natuerlich, nachgeholfen, wo es moeglich ist.

Hubschrauber hatte man am Himmel kreisen sehen koennen, bevor es anfing, zu regnen. Im Hinterkopf hat man als Westler noch ferne Erinnerungen, an die Olympiade in Peking. Man denkt an Medienberichte, von Raketen, geladen mit Chemikalien, um die Luft rein zu machen, fuer das grosse Ereignis. Das Abwassersystem in der sonst so regenarmen Stadt Peking ist solche Mengen an Regen nicht gewohnt. Es regnet nun schon den zweiten Tag in Folge. Fuer deutsche Verhaeltnisse wuerde man von einem leichten, bis mittelstarken, aber nahezu kontinuierlichen Regen sprechen. Auf den Strassen steht man teils knoecheltief im Wasser. Man watet durch die Pfuetzen, die langgezogen auf dem Weg liegen, und sich an manchen Stellen nicht umgehen lassen. Der leicht chemische Geruch der Luft, den man nicht zuordnen kann, ist nahezu vergessen. Fast wie eine Einbildung, ein Deja-vu, liegt er einem in der Nase. Wenn die Feiertage da sind, wird er verschwunden sein.

Veröffentlicht unter T.I.C. | Kommentar hinterlassen

Die Angst des weißen Mannes: Pekinger Luft

Bei Olympia 2008 war die Luftverschmutzung ein großes Thema. Würde die pekinger Luft die Athleten in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigen? Die chinesischen Teilnehmer hat sie jedenfalls nicht beeinträchtigt. Sie holten die meisten Goldmedaillen von allen Nationen. Es wurde im Vorfeld viel getan gegen die Luftverschmutzung. Künstlicher Regen wurde mit Chemie-Raketen, die in den Himmel gefeuert wurden, erzeugt, je nach Wochentag durften eine zeitlang auch jeweils nur Autos mit geraden, respektive ungeraden Nummern gefahren werden. Man mag selbst beurteilen, ob in diesen Handlungen gegen die Luftverschmutzung eine Prise Aktionismus lag. Jedenfalls zeigt sich hieran, dass der weiße Mann die Angst vor der pekinger Luft nicht exklusiv hat.

Doch ist die Luftverschmutzung der Stadt Peking wirklich so schlimm, wie sie in den westlichen Medien dargestellt wird? Nein, ist sie nicht, sondern noch schlimmer. Leute mit Mundschutz sind, im Gegensatz zu Großstädten anderer asiatischer Länder, im Straßenbild selten, aber man sollte daraus nicht schließen, dass die Luft gut wäre. Es herrscht scheinbar lediglich nicht dieselbe Besorgnis der Menschen, wie zum Beispiel in Tokio.

Dass einem, im Vergleich mit Peking, Städte wie Berlin, Madrid, oder London wie Luftkurorte in der Rhön vorkommen, liegt nicht allein an den Abgasen von Industrie und Verkehr. Auch Pekings extrem trockenes Klima und seine Lage, hin zum mongolischen Steppenland, tragen dazu bei. Mitunter wird Sand aus der Wüste Gobi vom Wind bis nach Peking getragen. Der Sand greift die Haut an, und macht die Luft noch trockener. Trotz des windigen Klimas der Stadt ist somit fast nie gute Luft. Die Sonne ist im Sommer oft nur an sehr windigen Tagen zu sehen. An den Tagen, an denen das Regenwasser bräunlich bis gelbfarben ist, hofft man natürlich, dass es nur der Wüstensand ist, der diese Färbung verursacht.

Diese faszinierende Stadt hat bedauerlicherweise unter ihrer Luft zu leiden. Man muss gut aufpassen, bei Erkältugen, oder anderen Atemwegserkrankungen. Wer die Gelegenheit hat, spätabends in Peking in einem Auto auf den großen Ringautobahnen, die die Stadt durchziehen, unterwegs zu sein, wird an besonders schlimmen Tagen kleine Wolken in Bodennähe zu sehen bekommen. Diese Wolken sind kein Nebel.

Nicht nur der weiße Mann fürchtet die Luft in Peking. Der Tanz mit dem Drachen fordert von allen Tänzern seinen Tribut, ob sie seine Kinder sind, oder nicht.  Alle sind froh, wenn sie für ein paar Tage aus der Stadt rauskommen, und außerhalb etwas frische Luft tanken können.

Der große Drache vereint viele Gegensätze in sich, und wie er im Ganzen ist, so ist auch seine Hauptstadt, im Kleinen. Peking ist ein Ort der Gegensätze. Es mag vielleicht auf den ersten Blick wie ein einziger, riesenhafter grauer Moloch erscheinen, doch diese Beurteilung würde ihm nicht gerecht. Peking besitzt, über sein Stadtgebiet verteilt, viele große Grünanlagen. An den großen Seen jener Parks, im Grünen, ist die Luft ein Wenig besser und wohlschmeckender. So scheint es einem zumindest.

Veröffentlicht unter Die Angst des weißen Mannes | Verschlagwortet mit , , , , , , | 1 Kommentar

Das süße chinesische Leben: Chinesische Teekultur

Die chinesische Esskultur hat in vielen ihrer verschiedenen Formen, und auch in verschiedener Intensität und Authentizität auf der ganzen Welt ihren Platz gefunden, und sie ist auch den Menschen aus aller Welt mehr oder weniger bekannt. Eine im westlichen Ausland (mit Ausnahme vielleicht Englands) weit weniger beachtete Errungenschaft des Drachen, und gleichzeitig auch ein wichtiger Bestandteil des süßen chinesischen Lebens, ist die Teekultur.

In früherer Zeit, vor allem noch unter kaiserlicher Regierung, stellten die traditionellen Teehäuser einen Spiegel der gesellschaftlichen Verhältnisse und einen Fixpunkt im Leben vieler Menschen dar. Dies hat auch der Schriftsteller Lao She 老舍 in seinem Bühnenstück „Teehaus“ 茶馆,eindrucksvoll beschrieben, in welchem er anhand des Teehauses und der dort ein- und ausgehenden Figuren die Entwicklung Chinas über die Jahrzehnte, beginnend von der ausgehenden Qing-Dynastie 清朝 bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts beschrieb. Lao Shes Stück gehört zu den wichtigsten Werken der modernen chinesischen Literatur. Das Lao She-Teehaus ist heute in Peking eines der wenigen verbliebenen traditionellen Teehäuser.

Im Moment sieht es auch nicht danach aus, als ob die Teehäuser eine Renaissance erleben könnten. Die Entdeckung des Kaffeetrinkens durch viele Chinesen hat dem Tee einen ernsthaften Konkurrenten beschert, zumindest was den Rang als Alltagsgetränk angeht. In den chinesischen Großstädten schießen die Starbucks-Filialen wie Pilze aus dem Boden. Kaffee ist angesagt, und gilt als spaßig. Tee ist dennoch aus dem chinesischen Alltag nicht wegzudenken.

Zuhause trinkt man ihn über den Tag verteilt, wie die Menschen im Westen Mineralwasser. Dabei werden die Teeblätter mehrmals zum Aufbrühen verwendet. Der Tee kann weiterhin als billiges Getränk beim Essen zu sich  genommen, oder auch zeremoniell zelbriert werden. Guter, teurer Tee wird oft bei wichtigen Anlässen in einem  solchen „zeremoniellen“ Rahmen getrunken. Oft wird aus metallnen Kannen mit meterlangen Hälsen in vielfältigen, festgelegten Einschenkbewegungen eingegossen. Bei der Teezeremonie wird der Tee normalerweise aus kleinen Tassen getrunken, die immer in drei Schlücken zu leeren sind. Gesprochen wird bei der Zeremonie nicht. Es geht rein um den Genuss des Tees. Die Teeblätter werden, wie zum Hausgebrauch auch, mehrmals zum Aufbrühen genutzt, wobei man meist davon ausgeht, dass die dritte und vierte Brühung die wohlschmeckendsten sind. Je nach Qualität des Tees variiert die Anzahl der möglichen Brühungen. Oft wird die erste Brühung nur mit wenig Wasser durchgeführt, und nicht getrunken. Sie gilt als reines Waschen des Tees. Es werden mehrere Teesorten probiert und verglichen. Mit der rechten Hand wird die Teetasse gehalten, mit der linken wird die Tasse geführt und getrunken. Wer Nachschub möchte schiebt seine Tasse zur Mitte des Tisches hin, und der Leiter der Zeremonie gießt nach. Sind die Teeblätter ausgelaugt, werden sie getauscht. Die gebrauchten Teeblätter werden bei der Zeremonie auf den Tisch gelegt, zur Betrachtung. Es ist erstaunlich, welches Volumen sie durch das Aufbrühen Erreichen, vor allem, wenn man es mit dem Volumen vergleicht, das sie in trockener Form haben.

Im Westen kann man vielleicht ansatzweise die Weinkultur mit der chinesischen Teekultur vergleichen. Wie auch zwischen Rot- und Weisswein und verschiedenen Rebsorten unterschieden wird, gibt es auch verschiedene Sorten 类 lei oder Arten 系 xi von Tee. Es gibt in der Regel drei verschiedene Herstellungsarten. Nicht fermentiert bu fajiao cha 不发酵茶, halb fermentiert ban fajiao cha 半发酵茶, oder ganz fermentiert quan fajiao cha 全发酵茶. Dann kommt die Unterteilung in 类 lei, beziehungsweise 系 xi , also in sechs verschiedene Grundarten. Im Allgemeinen wird unterschieden zwischen schwarzem Tee 红茶 hongcha (dessen Bezeichnung als schwarz jedoch nur im Westen gebräuchlich ist, und eigentlich rot bedeutet), grünem Tee 绿茶 lücha, Wulong-Tee 乌龙茶 wulongcha, weißem Tee 白茶 baicha, gelbem Tee 黄茶 huangcha und noch einmal schwarzem Tee, der diesmal auch auf Chinesisch so heißt, nämlich 黑茶 heicha. Eine vollständige Einordnung eines bestimmten Tees könnte also lauten: Nicht fermentiert > weiß > Weidiao (不发酵茶 > 白茶 > 萎凋茶).

Bestimmte Tees, aus den besten Lagen, zum Beispiel im Hochgebirge, können tausende von Euro pro Pfund Wert sein.  Selbst wenn man über das Geld verfügt, kommt man meist nur über Beziehungen an solche Tees heran, da sie bei Kennern zu begehrt, und als extravagante Geschenkidee zu gefragt sind.  Der Kaffee mag im Reich des Drachen, im Alltag, an Bedeutung gewonnen haben, aber trotz allem bleibt der Tee das Getränk für besondere Anlässe. Vor ein paar Jahrhunderten eroberte der Tee, durch den westlichen Imperialismus angetrieben, von China aus Indien und die westliche Welt. Vor einigen Jahren eroberte der Kaffee die Straßen Chinas. Der Tee ist deshalb noch lange nicht weg.

Veröffentlicht unter Das süße chinesische Leben | Verschlagwortet mit , , , , , , , | 2 Kommentare

Kinder des Drachen: Xiao Bo 小波

Ein ungewöhnliches Mitglied der chinesischen Mittelschicht ist er. Mit Anfang zwanzig kam er aus der nordöstlichen Provinz Heilongjiang 黑龙江 nach Peking. Was er genau machen wollte, wusste er damals noch nicht. Ein sonderlich guter Schüler war Xiao Bo nie, aber er hatte schon immer eine künstlerische Ader und er ist ein Kerl, wie ein Baum.

Die japanische Tättowierkunst hat ihn schon immer interessiert. So kam es, dass er als Lehrling in einem Tattoladen in Peking anheuerte. Von Mittags, bis in die frühen Morgenstunden, assistierte er seinem Meister im Geschäft, räumte auf, machte sauber, schaute beim Tättowieren zu, und erledigte allerhand Besorgungen und andere alltägliche Notwendigkeiten. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Kunstwerke auf seinem eigenen Körper. Langsam erlernte er das Handwerk selbst.

Der nächste Karriereschritt kam für Xiao Bo, als er den Posten als hauseigener Tättowierer in einem Frisörladen annahm. In China findet man die Konstellation eines Frisörladens, der ein kleines Tattostudio angeschlossen hat, öfter. Der Traum vom eigenen Laden wurde für Xiao Bo mit Anfang dreißig wahr. Ein finanzkräftiger befreundeter Geschäftsmann, der auch ein Freund von Xiao Bos Kunst ist, ermöglichte Xiao Bo das eigene Studio. Es befindet sich in einem der pekinger Partyviertel, und ist in einem Gebäude mit einem Frisör und einem Kosmetik- und Massagestudio untergebracht. In Xiao Bos kleinem Studio stehen seine eigenen Gerätschaften, die Wände sind voll mit Photographien von Menschen, die seine Arbeit auf ihrer Haut tragen. Ebenfalls hängen an den Wänden gezeichnete Entwürfe von Xiao Bo, eine Staffelei, auf der er hin und wieder Gemälde anfertigt, steht im Raum. Die Wände sind neu gestrichen, Kakerlaken, die man an seiner früheren Arbeitsstätte manchmal sehen konnte, trifft man in Xiao Bos eigenem Studio keine.

Das gesellschaftliche Ansehen von Tättowierungen ist in China nicht das beste. Vergleichen könnte man es vielleicht mit dem Ansehen, das Tattoos vor wenigen Jahrzehnten auch noch in Deutschland hatten. Ihre Träger stigmatisieren sich selbst, durch das Tattoo; vor allem wenn es an einer offensichtlichen Stelle des Körpers platziert ist. Die Tradition des Tättowierens ist in China  nicht so lange kultiviert, und als Kunstform gehegt, wie in Japan. Das Tragen eines Tattoos wird von einem Großteil der Chinesen als Anstößig empfunden, Xiao Bos Handwerk daher auch nur begrenzt als Kunst wahrgenommen. Dem Beispiel des deutschen Präsidenten zu folgen, und ein Tatto seiner Frau für „cool“ zu befinden, geschweigedenn überhaupt eine tättowierte Frau zu heiraten, ist heute für einen chinesischen Staatsmann undenkbar.

Trotz des problematischen Status‘ von Tattoos in China geht es Xiao Bos Laden nicht schlecht. Seine Kunden sind chinesische Aussteiger, rebellische Jugendliche und die Künstler, die in den umliegenden Clubs zu den prägenden Figuren des Nachtlebens zählen.  Natürlich sind auch einige Ausländer aus aller Welt unter Xiao Bos Kunden und Freunden. Zwei Auszubildende hat Xiao Bo. Sie sind jugendliche Aussteiger aus Südchina, denen das Leben in ihrer Heimat zu viel wurde. Mit leeren Händen sind sie nach Peking gekommen, als Schulversager. Auch ihren Lebensmittelpunkt bildet jetzt Xiao Bos Laden. Xiao Bo, der mit seinen bekannten einen sehr kumpelhaften, lockeren Umgang pflegt, reden sie respektvoll mit „Meister“ an.  Für sie ist er, so schwer es auch für die meisten Menschen in China vorzustellen sein muss, ein Vorbild. Sie bleiben, auch wenn sie nichts mehr zu tun haben, oft noch bis in die frühen Morgenstunden, wenn der Meister noch einen Kunden zu stechen hat, und schauen zu, um daraufhin in ihre ärmlichen Wohnungen, im Südteil der Stadt, zurückzukehren. Xiao Bo lässt sich bei der Arbeit gerne auf die Finger schauen. So kann man auf seinem Sofa Platz nehmen und dem surrenden Geräusch von Xiao Bos Nadel lauschen, während dieser sich in der Haut seiner Kunden verewigt.

Mittlerweile ist Xiao Bo mitte dreißig und ein recht gut situierter Mann. Er fährt einen VW Jetta, und lebt mit seiner ebenfalls aus Heilongjiang stammenden Frau, seiner Jugendliebe, und seinen Eltern unter einem Dach. Einen Sohn im Grundschulalter haben Xiao Bo und seine Frau auch. Sie leben unweit des Tattoostudios in einer guten Gegend, und bewohnen eine für pekinger Verhältnisse sehr geräumige Dreizimmerwohnung. Xiao Bo ist der Ernährer der Familie. Die Wohnung ist gemütlich eingerichtet, auch wenn der große Fernseher im Wohnzimmer fast ununterbrochen läuft. Am Eingang grüßt ein daoistischer Schrein, des legendären Generals Guan Gong 关公 aus der Drei-Reiche-Zeit. Die goldfarbene Statue steht auf einem kleinen Tisch, und ist etwa einen guten halben Meter hoch. Xiao Bos Vater, der den Schrein nutzt, pflegt ihn gut, und hält ihn, zumidest wenn Gäste im Haus sind, immer mit Räucherstäbchen bestückt. Die Wohnung ist ansonsten sauber, doch es herrscht eine Art „kreatives Chaos“, und Xiao Bo tobt sich, wenn er die Zeit hat, auch gerne in der Küche kreativ aus. Er ist ein exzellenter Koch.

In seinem Handwerk hat Xiao Bo sein Glück gefunden. Seinen Sohn erzieht Xiao Bo traditionell konfuzianisch, was bedeutet, dass die schulischen Leistungen und der Arbeitswille über allem stehen. Auf gute Schulbildung legt beim Sohn auch seine Frau sehr viel Wert. Seine Eltern mögen es vielleicht nicht ganz verstehen, dass mittlerweile Tättowierungen von befreundeten Künstlern aus ganz China weite Teile von Xiao Bos  Körper zieren. Auch sein Beruf an sich mag auf sie etwas befremdlich wirken, aber sie sind stolz auf ihn. Xiao Bo hat den chinesischen Traum vom kleinen Wohlstand in der Großstadt auf einem sehr unkonventionellen Weg erreicht.

Veröffentlicht unter Kinder des Drachen | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , | Kommentar hinterlassen

Das süße chinesische Leben: Ziegenfleischspieße 羊肉串

Es gibt sie überall in chinesischen Städten, die kleinen Essensstände. Meistens sammeln sie sich vor allem in der Nähe von Restaurants, Kneipen, Discos oder Universitäten. Mit einem kleinen Rollwagen, einer Propanflasche und einer einfachen, kruden Grillfläche ausgestattet, sind sie Tag und Nacht im Dienst. Es gibt natürlich die mannigfaltigsten Variationen von Essen. Es gibt Stände, die bieten kleine gegrillte Tintenfische an, andere verkaufen Suppen, Kastanien und natürlich alle Arten von Schaschlikartigen Spießen.

Die beliebteste Variante von Spießen sind die Ziegenfleischspieße, im chinesischen 羊肉串 yangrouchuan gennant. Ursprünglich sind sie eine regionale Spielart der chinesischen Küche, aus dem nordwestchinesischen Gebiet Xinjiang 新疆.  Ausgehend vom muslimisch geprägten Xinjiang verbreitete sich diese Delikatesse über ganz China. In uigurischen Restaurants bekommt man oft riesige Spieße aus Metall, mit mächtigen Ziegenfleischstücken. Auf der Straße, an den Ständen, sind die Spieße  kleiner dimensioniert. Mit einer schmackhaften Chilimischung abgewürzt, oft noch mit jeweils einem Brocken Fett zwischen den einzelnen Fleischstücken, als hervorragendem Geschmacksträger, schmeicheln sie dem Gaumen.

Über die Sauberkeit so manches Standes lässt sich vermutlich trefflich streiten. Andererseits will wohl auch in Deutschland ein großteil der Kunden nicht wirklich wissen, wie der Döner genau entsteht. Die Ziegenfleischspieße bieten eine allgegenwärtige,  schmackhafte und günstige Nahrungsquelle. Auch im Tiefen Winter stehen die Spießbrater auf der Straße und brutzeln ,in der Hitze des Fettes, inmitten von Rauchschwaden, ihr Ziegenfleisch. Sie sind Arbeiterhelden des chinesische Alltags.

Wer einmal in den frühen Morgenstunden abgekämpft, aufgekratzt und hungrig aus einem Club getreten ist, um sich an einigen Spießen zu laben, der wird eine Ahnung bekommen, was das „süße chinesische Leben“ bedeutet, und der wird es so schnell nicht loslassen wollen. Sie machen zwar nur einen winzigen Teil des süßen chinesischen Lebens aus, doch wer die Spieße noch nie erlebt hat, wird dies alles nur erahnen können.

Veröffentlicht unter Das süße chinesische Leben | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , | Kommentar hinterlassen

T.I.C.: Die Kunst des Spuckens

Von Peking bis Kanton, von Xi’An bis Shanghai, das Han-Volk verbinden untereinander viele Charakteristika. Dies kann die gemeinsame Schrift sein, die gemeinsame konfuzianische Tradition, oder auch die wundervolle chinesische Küche in all ihren Spielarten. Viele kulturelle Errungenschaften hat der Drache schon erreicht. Die vier großen Erfindungen Papier, Buchdruck, Kompass und Schießpulver sind nur ein Bruchteil davon. Dennoch sind sie auch heute noch im Bewusstsein nahezu jedes Chinesen präsent. Die Kinder des Drachen eint aber auch eine auf die meisten Westler etwas befremdlich wirkende Eigenheit. Obwohl in der jüngeren Generation scheinbar auf dem absteigenden Ast, (Verwestlichung?) und nach der unmaßgeblichen Meinung der meisten Laowais im Norden stärker ausgeprägt, als im Süden, wird man das Spucken und Rotzen in China überall finden.

Sei es auf der Straße, beim Essen in billigen Absteigen, oder auf öffentlichen Toiletten. Ob man will oder nicht, diese Eigenheit des Drachen wird einem im täglichen Leben wohl oder übel begegnen. Man könnte jetzt darüber räsonieren, ob diese kulturelle Besonderheit des Drachen schützens- oder verachtenswert sei, jedoch erachte ich eine solche Debatte für fruchtlos, weil sie letztendlich eine Frage der individuellen Erziehung behandelt. Viel interessanter wäre es, die Wurzeln dieser Verhaltensweise zu analysieren, und zu sehen, wie die heutige Gesellschaft dazu steht.

Früher war es der Brauch, morgens nach dem Aufstehen, als Teil der täglichen Hygiene, auch Nase und Rachen zu säubern. Da nun in China bei weitem nicht jeder Haushalt über ein eigenes Badezimmer, oder fließendes Wasser verfügt, wurde dies eben auf die Straße verlegt. Taschentücher wurden und werden in China eher als problematisch und dreckig angesehen. Jedoch sieht man dies natürlich nicht nur morgens. Einen großen Teil dazu beitragen, dürfte auch die enorm schlechte Luft chinesischer Städte.

Viele Chinesen, vor allem jungen Alters, stehen dem Spucken und Rotzen sehr kritisch gegenüber, und sind der Meinung das sich dieses Verhalten ändern müsse. Auch die chinesische Führung hat schon mehrfach Versuche unternommen, dies einzudämmen. Wer sich in den Monaten vor der Olympiade in Peking aufgehalten hat, wird sich an das mediale Dauerbombardement erinnern. Werbespots zu besserem Verhalten, unter anderem auch gegen die Spuckgewohnheiten der Bevölkerung gerichtet, bestimmten die Fernsehwerbung und liefen in öffentlichen Verkehrsmitteln in Endlosschleife. Ob die chinesische Führung damit wirklich ein Umdenken in der Bevölkerung erreichen wollte, oder ob es mehr um das „kollektive Gesicht“ in Zeiten verstärkter internationaler Medienaufmerksamkeit ging, sei dahingestellt. Diese auf Westler vielleicht abstoßend wirkende Gewohnheit vieler Chinesen, ist jedenfalls auch im inneren Chinas umstritten, und die Gegner werden eher mehr als weniger.

Es wäre übrigens auch vermessen, zu behaupten, die Kunst des Spuckens überbrücke keine Grenzen zwischen Völkern. So mancher Westler ist froh darüber, dass er sich in China völlig unbedarft in der Öffentlichkeit kräftig räuspern darf, um daraufhin einen Teil von Smog, Sand und Dreck, den er ständig einatmen muss, auf die Straße herauszuschleudern.

Veröffentlicht unter T.I.C. | Verschlagwortet mit , , , , , , | 3 Kommentare

Vorbereitung: Treue zu „The Jing“

Und es wird wieder Peking! Es kam, wie es kommen musste. Die schönste häßliche Stadt der Welt und ich sind einfach ein Traumpaar. Sie ist dreckig, aber sexy, häßlich, aber atemberaubend, riesig, aber greifbar.  Die Bühne für ein weiteres Jahr Drachentanz steht also.

Veröffentlicht unter Vorbereitung | Verschlagwortet mit , , , , , | 2 Kommentare

Das süße chinesische Leben: Öffentlicher Nahverkehr

Wenn man an den Verkehr in China denkt, kommt man zuerst natürlich auf Bilder von überfüllten U/S-Bahnen und Bussen, in die Menschen eingepfercht sind. Hühner haben in ihrer Legebatterrie dagegen praktisch schon die Business-Class gebucht. Natürlich gibt es diese unangenehmen Seiten, wenn man versucht, in chinesischen Städten von A nach B zu kommen. Aber trotzdem macht der Nahverkehr einen Teil des süßen chinesischen Lebens aus.

Die öffentlichen Verkehrsmittel haben angemessene Preise, und die Betreiber neigen durch ihre Preispolitik nicht wie in Deutschland dazu, einen Großteil ihrer Fahrgäste an die relative Armutsgrenze zu treiben, wenn diese jeden Morgen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren müssen. Es ist wirklich  signifikant billiger mit öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs zu sein, als mit einem eigenen Auto zu fahren.

In Peking ist sogar das U-Bahn-Netz gut ausgebaut, und die U-Bahnen umgehen natürlich den Stau, der auf den Straßen herrschen kann. In den chinesischen U-Bahnstationen, gibt es Dinge, von denen man in Deutschland schon viele Jahre nicht mehr zu träumen wagt. Fahrkahrtenverkäufer zum Beispiel. Für die meisten Stationen gilt: Niemand muss sich mit unübersichtlichen Automaten, die keine Scheine annehmen, herumschlagen. In den Bussen gibt es sogar Personal, das dafür zuständig ist, Fahrscheine zu verkaufen. Diese Leute kommen sogar zu einem an den Platz, und fragen wo man hinfährt.

Der Standard Preis in den Bussen beträgt 1 Yuan, für besonders lange Strecken können es bis zu 2 Yuan sein (1 Yuan ~ 10 Euro-Cent). In der U-Bahn ist der Standardpreis 2 Yuan. Es gibt auch noch kleine Plastikkärtchen, die „Verkehrskarten“ 交通卡 (jiaotonka). Diese kreditkartengroßen Kärtchen machen das Busfahren noch billger. 0,50 Yuan, mit Studentenkarte sogar 0,25 Yuan. An den Türen der Busse gibt es Lesegeräte, über die man seine Karte kurz hält, und schon geht es los. Beim Aussteigen wiederholt man diese Prozedur. Auch in den S-Bahnstationen gibt es solche Lesegeräte.

Die Fahrkartenverkäufer kann man außerdem zu Haltestellen, Umsteigemöglichkeiten und Entfernungen befragen. Diese sind natürlich unfreundlich, schließlich ist man in China, wo sich dies für Personal so gehört, aber die Auskünfte erhält man von ihnen trotzdem, und sie stimmen auch.

Der chinesische Personentransport hat mit Sicherheit seine Nachteile, gegenüber dem in westlichen Großstädten, aber er erscheint (zumindest in Peking) im Endeffekt praktischer und – man mag es kaum glauben – kundenorientierter, als in Deutschland, England, Frankreich, oder anderen westlichen Staaten. Vor allem der auch für chinesische Lohnempfänger äußerst erschwingliche Preis und die Anwesenheit von lebendigem Personal, welches dem Fahrgast helfen kann, stechen westliche Städte aus.

Veröffentlicht unter Das süße chinesische Leben | Verschlagwortet mit , , , , , , | 1 Kommentar

Laowais wie wir…:Kro – Teil 2

Es gibt Neuigkeiten zu Kros bisher wunderbarer Erfolgsgeschichte im Reich des Drachen, und es sind leider keine guten. Kro wurde, wie es aussieht, von seinem chinesischen Teilhaber – den man als Ausländer immer braucht, um in China ein Gewerbe gründen zu können – um seinen Anteil des Kro’s Nest betrogen. Die Restaurants laufen augenscheinlich normal weiter, weshalb mir das zunächst entgangen war.

So wie es aussieht, war Kro von Anfang an, wohl aufgrund seines jugendlichen Alters, sehr naiv vorgegangen, und hatte sich vertraglich nicht ausreichend gegenüber seinem chinesischen Teilhaber abgesichert. Dies nutzte dieser, um Kro aus dem Geschäft zu drängen, und nebenher möglicherweise  noch ein paar millionen Yuan Steuergelder zu hinterziehen. Nach aussen hin stellen sich Kro und sein ehemaliger Partner als gute Geschäftsfreunde dar, die fair geteilt haben wollen. So gesehen zumindest in dem chinesischen Fernsehinterview mit beiden. Problematisch erscheint diese Darstellung trotzdem. Kro bekam nämlich einige Sandwichläden zugesprochen, die er gemeinsam mit dem Teilhaber aufgebaut hatte, jedoch erhielt der chinesische Teilhaber mit den Pizzereien den Löwenanteil, weshalb eine faire, und vor allem einvernehmliche „Aufteilung“ äußerst zweifelhaft erscheint.

Es sieht so aus, als wäre der Shooting Star unter den westlichen Unternehmern Chinas auf dem harten Boden der Realität gelandet. Der Tanz mit dem Drachen ist gnadenlos, und wer seine Tanzschritte nicht mit Bedacht und Wissen setzt, den kann der Drache, der sonst so gut zu einem sein kann, bitter bestrafen.

Wer sich für die Details von Kros Demontage interessiert, findet sie – in englischer Sprache,  angereichert mit einem chinesischem Videobeitrag – hier.

Veröffentlicht unter Laowais wie wir... | Verschlagwortet mit , , , , , , | Kommentar hinterlassen